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08.05.2018, 13:06 Uhr |
Medikamente gehören nicht ins Klo!- Berliner Wasser III
AGH Drucksache 18/ 13828


Schriftliche Anfrage
der Abgeordneten Georg P. Kössler und Catherina Pieroth-Manelli (GRÜNE)
vom 14. März 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 20. März 2018) 

http://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/18/SchrAnfr/s18-13828.pdf

Die Schriftliche Anfrage betrifft Sachverhalte, die der Senat nur zum Teil in eigener Zuständigkeit und Kenntnis beantworten kann. Er ist gleichwohl bemüht, Ihnen eine Antwort auf Ihre Anfrage zukommen zu lassen und hat daher die Berliner Wasserbetriebe (BWB) um Stellungnahmen gebeten, die von dort in eigener Verantwortung
erstellt und dem Senat übermittelt wurden. Sie werden in den Antworten auf die Fragen 2 bis 4 wiedergegeben.
 
Vorbemerkung der Abgeordneten:
Trotz der Gefahren für die Umwelt und das Trinkwasser entsorgt bundesweit fast jede*r zweite Bürger*in Medikamentenreste falsch. 47 Prozent schütten flüssige Arzneimittel einfach in die Spüle oder die Toilette und nur 15 Prozent der Verbraucher*innen entsorgen ihre Medikamente richtig. Da führt zu
starken Belastungen der Gewässer. Eine Vielzahl an medikamentös wirksamen Substanzen kann nur unzureichend in der Kläranlage entfernt werden. Sie gelangen wieder in die Gewässer und anschlie-
ßend in unser Trinkwasser.
 
1. Welche Medikamentenrückstände sind nach Kenntnis des Senats in welchen Mengen noch im bereits durch die Kläranlagen behandelten Berliner Abwasser enthalten? (Bitte zugehörigen Grenzwert
mit angeben)

Zu 1.:
Die Berliner Wasserbetriebe (BWB) führen ein umfangreiches Monitoring entlang des gesamten urbanen Wasserkreislaufs (im Abwasser, Gewässer und in der Trinkwas2 Eine vollständige Übersichtsliste, welche Konzentrationen an Medikamentenrückständen im Zu- und Ablauf von Klärwerken vorhanden bzw. zu erwarten sind, existiert vor dem Hintergrund der Vielzahl der eingesetzten Medikamentenwirkstoffe nicht. Dazu ist der Verbrauch an Arzneimitteln, u.a. durch die Verschreibungspraxis,durch neue Medikamente, etc. zu dynamisch.
Für die in Berlin derzeit relevanten Medikamentenrückstände (Trinkwasser, Gewässer)sind folgende Konzentrationen (Medianwerte der Jahre 2016 bis 2017) im Ablauf der Klärwerke Schönerlinde und Ruhleben enthalten:
Medikament/Transformationsprodukt (TP) Indikation Ablauf KW Ruhleben
in µg/l 
Ablauf KW
Schönerlinde
in µg/l
Valsartansäure (TP) Transformationsprodukt in
der Umwelt von Valsartan
u.a. Sartane (Antihypertonika)
4,8 9,4
Valsartan Antihypertonikum 8 2,4
Candesartan Antihypertonikum 1,6 2,2
Olmesartan Antihypertonikum 0,8 1,3
Gabapentin Antikonvulsivum 1,6 1,6
Diclofenac Analgetikum 3,0 4,1
Carbamazepin Antikonvulsivum 1,0 1,7
Oxipurinol (TP) Wirksamer Metabolit von
Allopurinol (Mittel gegen
Gicht) 18 28
 
2. Wird das Berliner Trinkwasser nach Kenntnis des Senats auf alle die Substanzen, von denen bekannt ist, dass sie im geklärten Abwasser noch enthalten sind, getestet? Wenn nein, warum nicht?

Zu 2.:
Ja, die Berliner Wasserbetriebe kontrollieren alle Medikamente, die im Abwasser nachgewiesen werden können, regelmäßig auch im Trinkwasser.
 
3. Welche Medikamentenrückstände sind nach Kenntnis des Senats in welchen Mengen im Berliner Trinkwasser enthalten? (Bitte zugehörigen Grenzwert mit angeben)

Zu 3.:
Die BWB analysieren ihr Wasser auf eine Reihe von Spurenstoffen und veröffentlichen die Analysewerte im Internet: http://www.bwb.de/content/language1/html/941.
php. Alle diese Stoffe liegen in Konzentrationen von Mikrogramm (µg) pro Liter vor –teilweise auch noch weit darunter.
 
4. Wie hat sich der Wert der relevantesten Medikamentenrückstände nach Kenntnis des Senats im Berliner Trinkwasser in den letzten Jahren entwickelt?

Zu 4.:
Von den neun Berliner Wasserwerken treten nur im Wasserwerk Tegel Medikamentenrückstände
in nennenswerten Konzentrationen auf. Hier haben sich die Werte der
relevantesten Medikamentenrückstände aufgrund verschiedener Maßnahmen zu ihrer Minimierung seit 2014 stabilisiert bzw. sind rückläufig.
 
5. Wie hat sich nach Kenntnis des Senats die Anzahl  antibiotikaresistenter Bakterien im Berliner
Trinkwasser in den letzten Jahren entwickelt?

Zu 5.:
Nach der Trinkwasserverordnung sollen im Trinkwasser Krankheitserreger, mit und ohne Antibiotikaresistenzen, nicht in Konzentrationen enthalten sein, welche die menschliche Gesundheit beeinträchtigen können. Das Berliner Trinkwasser wird so aufbereitet, dass im Multibarrierensystem ein wirkungsvoller Rückhalt von Krankheitserregern gewährleistet ist. Trinkwasser ist jedoch natürlicherweise nicht steril, also frei von jeglichen Mikroorganismen. Es ist demnach nicht gänzlich auszuschließen, dass im Einzelfall antibiotikaresistente Mikroorganismen in geringen Konzentrationen im aufbereiteten Trinkwasser vorhanden sein könnten. Zum Vorkommen von antibiotikaresistenten Bakterien im Berliner Trinkwasser gibt es bislang keine systematischen Untersuchungen.
Es liegen lediglich erste Untersuchungsergebnisse im Berliner Trinkwasser aus dem vom BMBF geförderten Forschungsprojekt ASKURIS – Anthropogene Spurenstoffe und Krankheitserreger im urbanen Wasserkreislauf vor. Im Zu- und Ablauf des Wasserwerks
Tegel konnten im Rahmen dieses Projektes keine multiresistenten Bakterien
und Antibiotikaresistenzgene nachgewiesen werden. Die vorhandenen Verfahren im untersuchten Wasserkreislauf sind offenbar geeignet, sowohl antibiotikaresistente Bakterien als auch Antibiotikaresistenzgene zu entfernen.
Weitere Untersuchungsergebnisse zur Leistungsfähigkeit des Multibarrierensystems werden aus dem Teilprojekt der BMBF Fördermaßnahme „Zukunftsfähige Technologien und Konzepte zur Erhöhung der Wasserverfügbarkeit durch Wasserwiederverwendung
und Entsalzung (WavE)“ - TrinkWave erwartet
.
6. Kann der Senat ausschließen, dass multiresistente Keime in Berliner Gewässern eine Gefahr für Badegäste und Wassersportler*innen darstellen und wenn nein, welche Maßnahmen werden dagegen
ergriffen
?

Zu 6.:
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass insbesondere bei Personen, die nach medizinischen Maßnahmen nur über eine abgeschwächte Immunabwehr verfügen,antibiotikaresistente Erreger auf badende Menschen und Wassersportler/innen übertragen werden und es zu Erkrankungen kommt. Hierzu besteht jedoch noch weiterer Forschungsbedarf. Dazu gibt es im Moment einige große Forschungsprojekte (z.B. BMBF HyReKA). Aus den Ergebnissen dieser Projekte können dann entsprechende Vorschläge für ein Monitoring und ggf. Minderungsmaßnahmen abgeleitet werden.

 
7. Welche Investitionen durch die BWB sind nach Kenntnis des Senats in den kommenden drei Jahren nötig, um die hohe Qualität des Berliner Trinkwassers weiterhin zu gewährleisten und wie könnten diese Kosten vermindert werden?

Zu 7.:
Das Wasserwerk Tegel ist durch den vergleichsweise engen Wasserkreislauf im besonderen Maße von anthropogenen Spurenstoffen aus dem Abwasser des Klärwerks Schönerlinde betroffen. Die technologische Nachrüstung des Klärwerks Schönerlinde zur Verbesserung der Spurenstoffentfernung aus dem Abwasser (Ozonung Schönerlinde und Pulveraktivkohledosierung an der Oberflächenwasseraufbereitungsanlage Tegel) erfolgt bereits. Die geschätzte Investitionssumme beträgt für Schönerlinde rd. 21 Mio. €.
Diese Maßnahme stellt bereits eine wirksame Barriere zur Spurenstoffreduktion im urbanen Wasserkreislauf dar. Für eine nachhaltige Sicherung der Trinkwasserressource im Wasserwerk Tegel reicht sie allerdings nicht aus. Denn es gibt auch Spurenstoffe im Abwasser, die mit den gängigen Technologien zur Spurenstoffentfernung nicht bzw. nur schlecht entfernbar sind. Aus diesem Grund sind weitere Investitionen oder Maßnahmen an der Quelle bzw. zur weitgehenden Entkopplung des
Wasserkreislaufes am Wasserwerk Tegel notwendig. Diesbezüglich laufen derzeit noch Abstimmungen mit der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz, so dass keine abschließenden Angaben zu den insgesamt notwendigen Investitionen gemacht werden können. Die BWB haben sich insgesamt beim Thema Spurenstoffe strategisch aufgestellt, u. a. durch die „Strategie zum Umgang mit abwasserbürtigen anthropogenen Spurenstoffen“ aus dem Jahr 2015.
 
8. Wie sollen abgelaufene Medikamente in Berlin entsorgt werden und wie weist der Senat die Verbraucher*innen darauf hin?

Zu 8.:
Alte und nicht mehr benötigte Medikamente können einschließlich der Verpackung kostenfrei in den Schadstoffsammelstellen der Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR) abgegeben werden. Auch viele Apotheken nehmen Altarzneimittel inklusive Verpackung zur Entsorgung entgegen, obwohl sie hierzu gesetzlich nicht verpflichtet sind.
Zur Information der Bürgerinnen und Bürger hat die für Gesundheit zuständige Senatsverwaltung für Gesundheit einen Flyer „Alte Arzneimittel richtig entsorgen“ (Stand 08/2014) herausgegeben:
http://www.berlin.de/sen/gesundheit/_assets/themen/gesundheitsschutz-undumwelt/umwelteinfluesse/flyer_alte_arzneimittel_richtig_entsorgen.pdf).
Die Empfehlungen sind nach wie vor aktuell.
Die Berliner Stadtreinigungsbetriebe informieren auf Ihrer Seite https://www.bsr.de/ in der Rubrik „Was kann ich wo entsorgen?“ unter den Stichworten „Medikamente“ bzw. „Alt-medikamente“ über die Entsorgung von Arzneien.
 
9. Welcher Anteil der Berlinerinnen und Berliner entsorgt abgelaufene Medikamente nach Kenntnis
des Senats richtig?


Zu 9.:
Dem Senat liegen keine Informationen über den Anteil richtig entsorgter Medikamente  vo
r.
10. Hält der Senat eine Rücknahme von abgelaufenen Medikamenten an deren Verkaufsstellen (Apotheken) für hilfreich, um die Medikamentenrückstände im Berliner Wasser zu reduzieren?

Zu 10.:
Grundsätzlich besteht bereits seit langem für die Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit der Entsorgung von Altarzneimitteln über Apotheken, die als Serviceleistung diese Arzneimittel freiwillig annehmen und sachgerecht entsorgen (s. hierzu Antwortzu Frage 8). Eine Verpflichtung der Apotheken zur Rücknahme gab und gibt es jedoch nicht. Ein bis 2009 praktiziertes, für die Apotheken kostenfreies System, ist durch gesetzliche Änderungen im Rahmen der Verpackungsverordnung nicht mehr möglich. Bei der vorliegenden Frage ist jedoch auch der Ursprung der Arzneimittelwirkstoffe und ihrer Abbauprodukte zu berücksichtigen. Einen wichtigen Eintragspfad stellen
die Verstoffwechselung und Ausscheidung durch die Patientinnen und Patienten dar. Eine Rücknahme von Altarzneimitteln durch Apotheken ist vor diesem Hintergrund aus Sicht des Senats zwar hilfreich, kann aber nur einen gewissen Beitrag dazu leisten, Arzneimittelrückstände im Abwasser zu reduzieren. Der Aspekt der sachgerechten Entsorgung ist dabei nicht auf das Land Berlin beschränkt, vielmehr handelt es sich um eine bundesweite abfallrechtliche Problematik.
Der Senat begrüßt in jedem Fall die Wahl der richtigen Entsorgung von Altarzneimitteln.

11. Hält der Senat eine Vorbehandlung von Krankenhausabwässern für sinnvoll, um die Belastung des Berliner Trinkwassers durch Medikamentenrückstände zu reduzieren?

Zu 11.:
Aus Sicht der BWB könnte das Problem bei ausgewählten Medikamenten (z.B.
Röntgenkontrastmittel) durch gezielte Vorbehandlung an bestimmten konzentrierten Einleitpunkten reduziert werden.

Berlin, den 04. April 2018
In Vertretung
Barbara König




aktualisiert von Jens Friedrich, 08.05.2018, 13:36 Uhr


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